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Internalisierung versus Internationalisierung

Spannungsfeld: Produktbezogene Umweltpolitik und grenzüberschreitender E-Commerce

 

 

Auftraggeber: Bundesministrium für Bildung und Forschung (BMBF)

Kontakt: Martin Führ,  Jaqui Dopfer

 

Kooperationspartner: Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), Essen; Gesellschaft für Arbeits-, Reorganisations- und ökologische Wirschaftsberatung mbH (ARÖW), Duisburg.

 

Gesamtbericht (englisch)

Kurzfassung (deutsch)

Kurzfassung (englisch)

Aufsatz in der ZfU

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Transnational law making

Produktverantwortung vor mehrfachem Schnittstellenproblem

 

Über 10 Jahre dauerte das Ringen, bevor die EG die Rücknahmepflicht für Elektro- und Elektronikgeräte im Februar 2003 in der WEEE-Richtlinie festschrieb. Ab dem 13. August 2005 können dann die Verbraucher EG-weit praktisch alles, was mit Strom betrieben wird, kostenlos den Herstellern auf die Fabrikrampe stellen: Von der elektrischen Zahnbürste und der Spielzeug-Eisenbahn über den PC bis hin zum Gefrierschrank; und zwar unabhängig davon, wann und wo das Gerät gekauft wurde. Das EG-Recht schließt zugleich bestimmte Schadstoffe vom Herstellungsprozess aus und formuliert Anforderungen an die Entsorgung der Altgeräte. Es schafft damit einen – lang erwarteten – Rahmen für Produktinnovationen; allerdings nur, wenn es gelingt, diese Anforderungen EG-weit, d. h. in allen Mitgliedstaaten harmonisiert umzusetzen. Zu lösen sind dabei mehrere Schnittstellenprobleme. Recht ist zu seiner Durchsetzung angewiesen auf Zwangsmittel, die sich letztlich in den Händen der Nationalstaaten befinden. Diese bedienen sich aber – vor allem im Bereich der Produktverantwortung – privater Organisationen (etwa DSD).

 

Innovationen in Richtung Nachhaltigkeit müssen bereits bei der Produktgestaltung ansetzen („Design for the environment“). Die neuen Anforderungen des EG-Rechts müssen also in den F&E-Abteilungen der Hersteller ankommen. Im Binnenmarkt (bzw. im weltweiten Freihandel) sind grenzüberschreitende Warenströme die Regel. Das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip schließt aber einen unmittelbaren Zugriff auf ausländische Produzenten aus. Deshalb hält man sich an den (gewerblichen) Importeur und definiert diesen als „Hersteller“. Was aber, wenn der Importeur ein Endverbraucher ist, der sein Gerät im grenzüberschreitenden Direktvertrieb – etwa via e-bay– bestellt hat?

 

Hat der Versender seinen Sitz innerhalb der EG, ist die Lösung vorgegeben: Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass er die Anforderungen erfüllt, die im Empfängerland gelten. So verlangt es die Richtlinie. Weil diese aber in jedem der 14 (demnächst 23) anderen Mitgliedstaaten anders umgesetzt wird, muss der deutsche Gesetzgeber für den in Deutschland ansässigen Versender die Rechtsordnungen der anderen Länder für verbindlich erklären, was dem auf nationale Geltung ausgerichteten Rechtssystem schon einige Bauchschmerzen bereitet. Immerhin dürfte es aber gelingen, die Pflichtenstellung als solche transnational zu verankern.

 

Hinzu kommt aber die praktisch wesentlich bedeutsamere Aufgabe, Vollzug und Monitoring so zu organisieren, dass der Versender tatsächlich seine Verpflichtungen in dem Empfängerland erfüllt. Weil Rücknahme und Verwertung aber meist durch nicht-staatliche Systeme erfolgen, stellen sich weitere Schnittstellenprobleme: Wo hat sich der Versender zu registrieren? An wen und in welcher Form teilt er Art und Anzahl der versandten Geräte mit? Wie sind die Geräte zu kennzeichnen? Welchen Anreiz haben die nationalen Stellen, die Validität der übermittelten Daten zu prüfen? Und in welcher Weise kann das Rücknahmesystem im Empfängerland die ihm zustehenden Ansprüche im Versandland durchsetzen?

 

Nur wenn diese Fragen in abgestimmter Form von den Mitgliedstaaten der EG gelöst werden, lässt sich das „freeriding-Problem“ eindämmen. Das INVERSI-Projekt hat dafür unterschiedliche Gestaltungsoptionen entwickelt. Die Umweltministerien der Mitgliedstaaten stimmen sich in einer von der Kommission geleiteten Arbeitsgruppe ab. Im November 2003 sollen dort auch die INVERSI-Vorschläge präsentiert werden.

 

Das konkrete Problem der Elektroaltgeräte steht aber zugleich für eine generelle Frage: Wie lässt sich umweltorientierte Produktpolitik angesichts globaler Warenströme nicht nur beschließen, sondern auch in praktisch wirksame Anreize für die Akteure umsetzen? Die Forderung „Global denken – lokal handeln“ verdeckt hier das eigentliche Problem: Es ist im Bindestrich versteckt und verlangt nach Lösungen für die skizzierten Schnittstellenprobleme.

 

 

Prof. Dr. Martin Führ, Jaqui Dopfer und Stefanie Merenyi gehören zur Sonderforschungsgruppe Institutionenanalyse (sofia), FH Darmstadt.